
Pocahontas in Panama. Auf Festivaltour in Bonn
Manche Perlen muss man nur ein bisschen polieren, bevor sie richtig glänzen. Und zwar mit Liebe, Melodie und zwischenmenschlicher Wärme. Das Panama Open Air 2019 im possierlichen Bonn ist so ein Fall. Dieses Fundstück unter den vielen Elektro-Festivals in Deutschland glänzt nicht nur durch ein krasses Lineup derzeit dick angesagter Acts sondern vor allem: durch die Menschen! Ansonsten braucht das Open Air im schönen Rheinaue Freizeitpark, das über zwei Tage geht und auch für den etwas kleineren Geldbeutel stimmt, einfach mal gar nicht so viel Gedöns.
Text und Fotos: Stefanie Krause
Damit unterscheidet es sich ein wenig von anderen Festivals, über die derzeit viel und verheißungsvoll getuschelt wird und für die es manchmal eine halbe Ewigkeit für Planung, Aufbau und Dekoarbeiten braucht. By the way, die Fusion Festival war so ein Festival, dezimierte es doch meine bewährte Orgacrewdavon für die Party im Bohlwegtunnel immens, da sich viele schon seit Monaten auf dem Gelände der Fusion verschanzt hatten und wahrscheinlich in irgendeinem Kabelgraben Vorhänge für die Waldtoilette häkelten. Nicht falsch verstehen: ich finde so viel Mühe ja super! Aber ich mag auch den Mut zu Lücke, denn genau wegen des schnörkellosen Charmes wirkte das Panama Open Air auf mich wie eine Art weißes Blatt Papier, auf das ich meine eigene Geschichte schreiben kann. Und das habe ich an meinem Geburtstagswochenende auch getan!
Das relativ kleine Gelände auf den geschwungenen Rasenhügeln der Aue direkt am Rhein ist mir gleich auf den ersten Blick sympathisch, denn ganz natürlich und unaufgeregt schön. Grüne Bäume, weiter Himmel, fließendes Wasser, sanftes Klima und mittendrin eben das Panama Open Air mit dem typischen Schmetterlingslogo, das vielen als Fotomotiv dient. Die Festivalorga-Crew weiß offenbar, wie man Influencer für sich begeistert. Auch ich fühlte mich schon im Vorfeld sehr herzlich eingeladen und willkommen! Gebt mal den Hashtag #POA19 bei Instagram ein und schaut in den bunten Feed. So ist es ziemlich einfach, sich zu vernetzen. Direkt auf dem Gelänge sind die Begegnungen natürlich noch viel wichtiger und: tausend mal intensiver. Wie ich es zum Beispiel wieder hinbekommen habe, auf einem Festival in Bonn Leute aus der Region kennen zu lernen…ich habe keine Ahnung, aber es ist passiert. Denkt mal an meinen Besuch auf dem Impericon in Leipzig, hier lest ihr den Bericht, der erste Kontakt hatte auch mit Braunschweig zu tun. Heimat kann man offenbar überall finden.
Die sehr angenehme Stimmung auf dem Panama Open Air am Freitag wird vom ersten Musik-Act bestens unterstützt. Meine Begleitung und ich tanzen uns zu Bebetta warm, die selber kaum aus dem Grinsen rauskommt. Total sympathisch! Aufkleber kriegen wir auch, eigentlich fehlen nur noch Bonbons und das rosa Glück wäre perfekt. Anschließend spielt Monolink, der sein Set mit feinem Gitarrenklang und Gesang ziseliert und wohl den besten Soundtrack bietet, den man sich während eines warmen Sommerregenschauers zum Sonnenuntergang vorstellen kann. Wie abgesprochen geht der dann auch auf die entspannt feiernde Masse nieder. Erstkontakt Regentanz, „Panama macht Spaß“, beschließe ich und trinke ein paar Regentropfen aus dem Himmel. Doch das Allerbeste des Freitags kommt ja noch!
Vielleicht fragt ihr euch auch schon längst – ihr angestammten Kult-Tour-Leser, an alle anderen: herzlich Willkommen -, was ich eigentlich auf einem Festival dieses Musikgenres zu suchen habe? Schließlich schlagen bei mir bekanntlich die Glocken auf Alarm, wenn tief gestimmte E-Gitarren schrammeln und hübsch anzuschauende Tattootypen ihren Liebeskummer ins Mikro gröhlen. Tja, ich mag’s halt auch ebensogern zart und melodisch. Und ja, das ist immer noch keine zufriedenstellende Erklärung für meinen Besuch auf einem Festival, wo mir von fünf Bühnen vor allem Techno volle Pulle entgegenballert. Nun, es ist schon als schicksalhaft zu bezeichnen, dass mir irgendwie immer die Außenseiter am besten gefallen. Auf dem Panama Open Air ist mein Favorit mit absoluter Sicherheit der Sonderling. Nix nur Drehknöpfe an einem Pult, nix ewig langes Musiklaufband, nein, eine ganze Truppe Musiker mitsamt Instrumentarium und Songs, ziwschen denen Pausen gelassen werden, locken mich zur großen Panama Stage, die mit allerhand Ausstattung von Konfettikanone bis Feuerwerk auch richtig was kann.
Jetzt kommt Roosevelt! Der Musiker aus dem nahen Köln bringt tatsächlich die einzige richtige Band auf das Panama Open Air mit und wegen ihm bin ich auch hier. Zu Recht! Zwar mussten wir uns direkt vor die Boxenwand links außen (natürlich links außen! Wo sonst!?) stellen, um zu Roosevelt in der gewünschten Lautstärke lauschen zu können, aber dann ist alles perfekt! Ich habe Platz, ich singe mit, ich hüpfe rum, ich bete an, ich bin glücklich. Ich fliege! Ich liebe den schmachtenden aber so unwiderstehlich groovenden Sound des Kölners einfach so sehr. Der 80er-Touch gefällt mir, die Texte treffen mich ins Herz, seine Stimme kuschelt mich ohne Körperkontakt und die Beats bringen mich trotz drohendem Zuckersturz auch heute zum ekstatischen Tanzen. Schnell ein Burger von den vielen Ständen auf dem Festival im Anschluss an das Konzert –ein fetter Smoothie mit Kokosmilch, ach egal, was da drin ist, gleich hinterher gekippt. Liebe kostet Kraft! Und Roosevelt ist Indie-Elektro, wie er mir am besten gefällt. Erster Livekontakt und bestimmt nicht der letzte. Lohnt!
Aber meine Begleitung nöhlt ein wenig und möchte es jetzt zur Abwechslung hart. Klar geben wir uns Boris Brejcha, das alseits bekannte maskierte Wunder und genau das Richtige, wenn es uns jetzt nach knarzigem Atzen-Techno ist. Unter einem wahnsinnig schönen Gewitterhimmel, der in Kombination mit den Lichteffekten des Festivals echt mal unfassbar krass kommt, werde ich von Boris in meinen Geburtstag geschubst und lerne kurz vor 12 Hannoveraner kennen. Ein tolles Geschenk, wie ein unausgesprochener Wunsch, der in Erfüllung geht. Am folgenden Tag trifft man sich wie selbstverständlich wieder und feiert einen echt lustigen zweiten Festivaltag, auch wie selbstverständlich. Alles passt! Victor Ruiz, Kölsch und Stephan Bodzin geben uns den richtigen Beat und „Tadaaah“, mein erstes Technofestival fühlt sich von vorne bis hinten gut an! Manchmal weiß man eben selber am allerbesten, was man sich zum Geburtstag wünscht und sollte bloß nicht zögern, sich auch genau das zu schenken.
Ich komme gerne wieder zum Panama Open Air! Meine Entdeckung des Festivals ist übrigens Andhim, ein DJ- Duo ebenfalls aus Köln, das mich bei einem meiner federnden Alleingänge über das Festivalgelände mit 80er-Melodien wie die Motte zum Licht lockten. Scheint irgendwie mein Ding. Ich lerne.
Eure Stef