
Die Unfällbaren. Der friedliche Kampf um die Bäume der Jasperallee
Braunschweig darf ich nun seit einem Jahr mein Zuhause nennen – und ich fühle mich bereits lokal. Die Stadt glänzt nicht nur durch ihren provinziellen Touch à la „jeder kennt jeden“, für den ich sehr viel übrig habe, sondern hat mir auch in erstaunlicher Schnelligkeit meine Orte, Straßen und Menschen offenbart.
Ein Gastbeitrag von Marie-Claire Höhn
So auch die Jasperallee. Mir wird schnell bewusst, warum die Allee für die Braunschweiger so bedeutend ist. Nahezu heroisch führt sie vom Nussberg zum Staatstheater. Umsäumt – bis auf wenige Ausnahmen – von Altbauten aus der Gründerzeit, in denen auch ich regelmäßig ein und aus gehe. Die Promenade inmitten, die beschattet wird durch den Grünstreifen der Silberahornbäume, lädt zum Flanieren ein. Sie verleiht der Straße ihren besonderen Touch.
Nun aber zur Crux an der Geschichte: Im vergangenen Jahr hat die Stadt beschlossen, die 87 alten Silberahornbäume zu fällen und durch junge Linden zu ersetzen. „WIESO DENN DAS UND VOR ALLEM: WIESO LINDEN?!“ fragte ich meinen Freund Paul irritiert und etwas schockiert, der mir noch vor dem finalen Beschluss der Ratssitzung davon erzählte. Der Stadtrat selbst begründet das Fällen der Silberahornbäume und die damit verbundene Neubepflanzung mitunter damit, dass die Ahorne zu einem Drittel eine geringe bis mittlere Vitalität aufweisen, was sich unter anderem in unterdurchschnittlich schnellem Wuchs äußert. Der Stadt geht es, zumindest dem Gutachten nach, um das homogene städtische „Erscheinungsbild“. Dieses würde durch eine Vereinheitlichung der Bäume – man betone: durch in Reih’ und Glied stehende Linden – gewährleistet werden. Paul, der seitdem bei der Baumschutz-Initiative in Braunschweig aktiv und selbst Landschaftsgärtner ist, erzählte mir, dass, zumindest aus Sicherheitsgründen, lediglich drei von den 87 Bäumen ausgetauscht werden müssten. Und nahezu 400.000 Euro in einen kompletten Baumaustausch zu investieren, während die Silberahornbäume nur vereinzelt ersetzt werden müssten, finde ich auch reichlich fragwürdig. Paul, der auch für viele Anwohner spricht, ist vor allem empört darüber, dass die Politik an dieser Stelle ungefragt über den Bürgerwillen entscheidet. Schließlich wurden über 16.000 Unterschriften für die Erhaltung der Silberahornbäume gesammelt.
Ich selbst habe für Demonstrationen aller Art normalerweise nicht besonders viel übrig, da ich dafür vielleicht zu gemäßigt bin. Mir die Parolen, diese Form des „Aufstands“, dieser Widerstand oftmals einfach zuviel sind. Doch dieses Mal ging es um ein Thema, das mich tatsächlich unmittelbar, ja buchstäblich greifbar bewegte. Während bei der ersten Demo Mitte November, kurz vor der finalen Ratssitzung, vielleicht 150 Menschen teilgenommen haben, waren es auf der Demo am 12. Januar 2019 bestimmt 500 Demonstrierende. Getroffen haben wir uns um 5 vor 12 – selbstverständlich inmitten der Promenade, zwischen den Silberahornbäumen der Jasperallee. Zum Schmunzeln symbolträchtig. Obwohl die Fällung der Bäume zwar schon eine politisch beschlossene Sache ist, gaben die Menschen hier nicht auf. Als ich so durch die Menge lief, auf der Suche nach bekannten Gesichtern, ist mir vor allem die Vielfalt an Menschen aufgefallen, die sich für die Ahornbäume einsetzten und die tosendenden Trommelschläge, die das „Baumfäller, Klimakiller“ und „Jaspi bleibt“ unterstrichen. So zogen wir von der Jasperallee über das Schloss, das Rathaus, bis hin zum Kohlmarkt. Auch der Regen hat uns Demonstrierende nicht gestoppt. „Bäume sind Lebenwesen, die wir auch respektieren und wertschätzen sollten. Wird ein Baum gefällt, wird oft beruhigt, dass er nachgepflanzt wird. Es dauert aber Jahrzehnte bis ein neuer Baum einen alten Baum in Bezug auf Sauerstoffproduktion, Kohlenstoffdioxidbindung, Temperaturregulierung, Feinstaubfilterung und auch Schönheit ersetzen kann“, so eine Aktivistin der Baumschutzinitiative. Und damit bringt sie es auf den Punkt. Unwidersprechlich richtig.
Ich jedenfalls freue mich schon aufs Ahornblütenfest im Sommer. Egal was mit den Bäumen passiert – der Bürgerzusammenhalt hat gezeigt, dass es doch nicht nur die Unterschiede sind, die uns einen. Sondern dass vor allem dann eine Einigkeit entsteht, wenn man sich gemeinsam für etwas stark macht. Wenn es Emotionen sind, die man teilt. Wenn es nicht mehr wichtig ist, wo genau jemand herkommt, welche Kleidung man trägt, wie alt man ist, wie hoch das Einkommen ist, wie jemand aussieht. Die Braunschweiger Bürger halten zusammen und das aus Überzeugung, nicht aus Fraktionszwang. Und eigentlich ist es doch das, worauf es ankommt.
Aktuelles von der Webseite der Bürgerinitiative Baumschutz Braunschweig:
Wir lassen die B ä u m e nicht allein!
Mit einer Dauermahnwache begleiten wir die vitalen Ahorne erstmal bis zum Ende dieser Fällsaison.
Täglich von 6 Uhr bis 20 Uhr, ab Dienstag, 19.2.2019, auf dem Mittelstreifen der Jasperallee zwischen Bismarck- und Kasernenstraße auf (19.02.19 bis 22.02.19 und 25.02.19 bis 28.02.19).
Kommt alle und bringt Transparente, Musik, Picknick, Spiele und nette Leute mit!